Eintrag vom 16.06.2015
Das Magazin der SZ informiert uns über eine Trendneuheit. Launig bis sarkastisch berichtet Annabel Dillig von der um sich greifenden „Professionalität der Kosmetikbranche im Kreieren immer banalerer Alltagslooks“ („Out-of-Bed-Wachs für die Wuschelfrisur wie nach dem Aufstehen. Salzwasserspray für die
Haare wie nach einem Tag am Strand. Immer mehr Schminke für den No-Make-up-Look.“) und von einer neuen Stufe des artifiziellen Verwahrlosungs-Looks: wet hair, also nasse
Haare.
Dabei nimmt sie uns alle Hoffnung, es uns nun damit endlich mal bequem machen zu können: „Nein, ein Besuch im Schwimmbad oder im Fitnessstudio reicht nicht. Für die Illusion von tausendundeinem Workout braucht man ‚Texturing Gel‘ und ‚Spray Wax‘“
Die neue
Haar-Mode ist nur eine weitere Spielart eines Trends, der sich „Athleisure“ nennt und mittlerweile offenbar Karl Lagerfelds berühmtes Diktum: „Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ ad absurdum zu führen scheint. Denn kontrolliert wird hier alles – umso mehr, je unkontrollierter es aussehen soll. Und die Unkontrolliertheit muss auch nach Kontrolle und vor allem nach Geld aussehen – wie sonst sollte man sich sonst von denen abheben, denen tatsächlich die Kontrolle abhanden gekommen ist?
Der Grund dafür, das Banalste und Natürlichste in gehobene Künstlichkeit zu verwandeln liegt maßgeblich in dem verständlichen Wunsch der Kosmetikhersteller begründet, an der artifiziellen Natürlichkeit gehörig zu verdienen.
Hier möchte Frau Dillig gern helfen und hat ein paar wirklich beachtenswerte Vorschläge: „‘Saunaröte all day long – mit diesem Make-up gelingt der 100-Grad-Look. Oder: ‚gelbe Nägel leicht gemacht – der Lack, mit dem auch gepflegte Füße immer tipptopp verwahrlost aussehen.‘“
Wir sind uns sicher: derartige Trends werden nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Quelle: Süddeutsche Zeitung Magazin, Nummer 24, 12.Juni 2015